
Heute geht es bei mir mal nicht um die Fotografie. Heute dreht sich alles um eine vergangene Leidenschaft die wieder erwacht — so denken wir mal.
Den Motorradführerschein hatte ich mit 18 Jahren in der Tasche und mit 20 auch gleich den für die grossen Maschinen. Damals waren finanzielle Sprünge kein Thema und so war ich froh das mein Paps gleichzeitig noch auf die Idee kam sich ein grosses Motorrad zu zulegen. Super — er hat’s gekauft und ich bin’s gefahren. Leider war das eine Chopper VT750 — nicht gerade was ich mir erträumt hatte. Aber schon bald nannte ich eine Yamaha XJ900 mein Eigen. Damit fing der Spass an. Das Motorrad erfüllte meine Vorstellungen in allen Bereichen. Ich war immer ein Tourenfahrer der Wert auf Zuverlässigkeit, Reichweite und Stauraum legte und nicht auf Schnelligkeit, extreme Schräglagen und eine Sozia die mir auf dem Rücken klebt wie ein Klammeraffe im Sturm.
1992 startete ich dann auch in mein persönliches Abenteuer. 6 Monate waren ich und meine XJ900 in Europa unterwegs. Über Italien – Südfrankreich – Spanien – Andorra – Frankreich – Schweiz – Frankreich – England – Irland – Schottland – Dänemark – Deutschland – Holland – Belgien – Luxemburg – Deutschland und Österreich führte uns die Strasse immer ans Ziel. Eine wundervolle Zeit aus der viele, viele tolle Erinnerungen geblieben sind.
1993 lernte ich Anita kennen und sie meine XJ. Da entstand vermutlich auch ihre Leidenschaft fürs Motorrad fahren. Fortan hatte ich nun einen festen Beifahrer und wir haben unsere Ferien immer wieder gerne mit dem Motorrad geplant. 1994 war es dann soweit — wir haben uns eine Pan European ST1100 zugelegt. Das war nun der Beginn einer 20-jährigen Freundschaft.
20 Jahre hat uns unsere PAN treu begleitet und nie im Stich gelassen. Auf vielen unzähligen Touren hat sie stets ihren Dienst verrichtet und hat mir auch den einen oder anderen fahrerischen Fehler durch ihre Gutmütigkeit verziehen. Ein tolles Motorrad – Danke für die schönen Momente. So haben wir unsere PAN auch in die USA geflogen um mit ihr von New York nach San Francisco quer durch die Staaten zu reisen. Das ist schon geil wenn man die eigene Maschine dabei hat und dann auch noch mit einem Schweizer Nummernschild — die Amis dachten sogar unser Länderkennzeichen CH steht für Canada !!
Als unsere Kinder zur Welt kamen war es dann mit den Touren vorbei. Es hatte seinen Reiz für mich verloren und ich wollte die Zeit mit den Kids verbringen und nicht auf dem Töff sitzen. Anita bestand aber immer wieder drauf und drängte zu einer Ausfahrt. Lange stand unsere PAN treu wartend auf ihren nächsten Einsatz — immer bereit und immer mit dem montierten Nummernschild — jederzeit hätte es losgehen können… hätte.
Und letztes Jahr war es soweit. Eine Tour mit 2 befreundeten Paaren führte uns ins Südtirol. Es war perfekt — es war wie früher — nichts verlernt — einfach grandios. Da keimte der Gedanke das wir eigentlich wieder mehr solche Trips machen müssten. Schliesslich werden die Kids auch immer grösser und selbständiger und für ein verlängertes Weekend bei den Schwiegereltern sind sie eh immer zu haben — Danke Nanny und Papa.
Spontaner Entscheid
Die nächste Tour ist geplant — mindestens der Zeitraum. So ist es an der Zeit die gute, alte PAN aus ihrem Tiefschlaf wieder zu erwecken. Dazu bin ich dann gestern spontan bei meinem Händler des Vertrauens im Dorf vorbeigefahren und habe unsere PAN für eine kleine Überholung angemeldet. Und dann kam seine entscheidende Bemerkung „wotsch dr ned e Neui choufe ?“ (Übersetzung: willst du dir nicht eine Neue kaufen?).
Ja da steht sie, die Nachfolgerin unserer PAN. Natürlich hatte ich mir das Motorrad in den vergangenen Jahren immer wieder mal angeschaut — aber wozu, die Leidenschaft brennt nicht mehr so wie früher. Aber seit gestern Abend wieder viel mehr. Soweit hat das alles schon mal gepasst. Anita war natürlich kein Hindernis — welcher Mann kann das behaupten wenn er seiner Frau sagt er kauft ein neues Motorrad. Ich denke zu 99% wird die Antwort sein „Wozu, das Alte fährt doch noch !!“.
Tja und so waren wir also heute eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Termin bei unserem Händler. Die Probefahrt sollte es zeigen — die Schwächen die in der Nacht im Internet in unzähligen Testberichten gesucht wurden riefen nach Bestätigung. Wird sie so gut sein wie unsere Alte ?
Sie ist besser — eigentlich kann ich es kaum glauben, aber es ist so. Ich bin nun nicht gerade ein Experte in Motorrad-Vergleich-Tests, aber ich habe einen subjektiven Eindruck und der sagt: Sie ist besser – Punkt:
Sitzposition
Es fängt an das mir mein Händler gleich mal den Sitz auf die unterste der 3 möglichen Position einstellt. Ich setze mich und stelle fest — super, ich habe einen besseren Stand als noch mit meiner Alten. Bei ihrem stolzen Gewicht von 326kg ist das wirklich von Vorteil wenn man einen guten Stand aufweisen kann.
Handling und Ergonomie
Auf den ersten paar hundert Metern ist klar — da bewege ich ein modernes Motorrad. Die PAN war trotz ihrem stolzen Gewicht ein tolles Motorrad und liess sich, einmal in Bewegung gesetzt, zielgenau, präzis und flott bewegen. Da habe ich ab und zu andere Sportler mal stehen gelassen. Und die Neue macht das noch einen Zacken besser. Das Feeling ist super und ich fühle mich sauwohl auf ihr — sie zeigt eine Leichtigkeit und macht das alles noch ein wenig besser als ihre ältere Schwester.
Ein weiteres Highlight ist die elektrisch verstellbare Frontscheibe. Die lässt sich auch während der Fahrt über einen Kippschalter am Lenker einfach um bis zu 20 Zentimeter in der Höhe verstellen. Das Manko früher war die starre Höhe bei meiner hohen Version. Auf Autobahn oder über gut ausgebaute Landstrassen war das hervorragend weil man sich hinter der Scheibe hervorragend ausruhen konnte und keine Windstösse am Helm rüttelten. Da musste man aufpassen nicht einzunicken.
Die elektrische Version ist perfekt. In niedriger Position lässt sie freie Sicht auf die Fahrbahn, versorgt Fahrer und Sozius mit Frischluft und liefert mir ein sportliches Feedback. Hingegen in der obersten Position kann ich mir durchaus lange Fahrten auf Autobahnen vorstellen sie uns schnell von A nach B bringen werden und ihr Fahrer noch nicht mal müde werden lässt.
Bremsen
Kommen wir zu einem Thema das mich stark an ihr zweifeln liess. Ausgerüstet mit einem Dual-Bremssytem in Kombination mit einem ABS war ich natürlich extrem gespannt wie sich das Verhalten wird. Ich bin begeistert. Die Bremsen packen super zu und lassen sich hervorragend dosieren. Das duale System verteilt die Bremskraft auf den jeweils nicht verwendeten Bereich. Also wenn ich die Hinterbremse bediene, wird gleichzeitig auch vorne mitgebremst. Davor hatte ich etwas Bedenken, aber in der Praxis hat das sogar Spass gemacht. Mit ABS kann man die PAN wie an der Schnur gezogen zum Stillstand bringen ohne sich wirklich Sorgen zu machen das man zuwenig Druck ausübt. Das ABS regelt perfekt und nicht spürbar.
und sonst…
Ja auch sonst ist vieles einfach etwas besser geworden. Durch die elektronische Einspritzung hängt sie nun wunderbar am Gas — schon fast nervös. Die Leistungssteigerung von 30 PS ist spürbar und herrlich einzusetzen.
Aber sie hat auch Schwächen — so finde ich die Position der Spiegel nicht mehr so optimal wie bei der alten Schwester wo man freien Blick nach hinten hatte ohne störende Elemente wie Lenker oder Brems-/Kupplungsgriff. Aber wozu soll ich mich nach hinten orientieren. Ebenfalls wäre ein Overdrive wünschenswert gewesen mit dem man speziell auf Autobahnfahrten noch niedrigere Touren fahren könnte. Aber ich denke das lässt sich hinsichtlich der vielen tollen Verbesserungen verkraften.
Fazit
Wir freuen uns riesig auf unseren Zuwachs im Fuhrpark und auf viele tolle Touren mit der Neuen. Wir freuen uns auf Spritztouren, lange Reisen und auf die vielen kurvenreichen Wege ans Ziel.
Etwas wehmütig wünschen wir unserer alten PAN einen tollen Lebensabend und einen Fahrer der ihre Qualität zu schätzen weiss. Uns war es eine Freude sie auf ihren aktuellen 117’000 km zu begleiten. Vielen Dank — mach’s guet.